Festivalmotiv

RETROSPECTIVE: TSCHECHISCHER UNDERGROUNDFreitag 20. Januar 2017 20.30 Uhr

Nach dem Drama des Einmarsches von Truppen des Warschauer Pakts in die CSSR im Jahre 1968 begann eine Zeit der gesellschaftlichen Lähmung, paradoxerweise „Normalisierung“ genannt. In den 1970er und 80er Jahren entwickelte sich auch in der CSSR ein künstlerischer Underground. Dabei gab es durchaus Parallelen zur Entwicklung in der DDR, auch wenn die Szenen in beiden Ländern eher wenig Kontakt miteinander hatten.
Aus dieser Zeit werden Filme von Jan Ságl, aus dem Umfeld der legendären tschechischen Band „The plastic people of the Universe“ sowie aus den 1980ern von Éaroděj Oz, Pablo de Sax, Pigi und Pan Karra, Künstlern die unter Pseudonym arbeiteten, sowie von Ivan Tatíček gezeigt. Der in Zürich und Basel lehrende tschechische Medienhistoriker Tomáš Glanc, der langjährig zur russischen und tschechischen Parallelkultur in den Künsten gearbeitet hat, führt in den zeithistorischen Kontext ein.

Die Filme im Programm:

Jan Ságl – Music F Club
1971, Super-8, 7.5 min, s/w, stumm
Ein Konzert von Plastic People und Aktual im Music F Club am 26. Februar 1971 - gewöhnlich als eines der Schlüsselereignisse des tschechischen Undergrounds bezeichnet. Der Film fängt die Konzertvorbereitungen und das Konzert selbst ein, einschließlich der Elemente des Industrial von Milan Knížáks Aktual (der Gebrauch von Bohrmaschine, Metallperkussion und verschiedenen anderen Gegenständen oder in das Publikum geworfener Reis). Der zweite Teil des Films zeigt einige der Kostüme und Bühnenbilder, die Jan Ságl mit seiner Frau Zorka Ságlová für die Plastics-Konzerte gemacht hat. Besetzung: Milan Hlavsa, Jiří Kabeš, Paul Wilson, Pavel Zeman, Karel Nepraš, Pavel Tichý, Milan Knížák, Ivan Čori.

Karra – Schweigen
1981, Super-8, 2.5 min, s/w
Karras Filme repräsentieren die satirischste Position des tschechischen Undergroundfilms. In einigen Fällen werden Teile der Weltkinematographie adaptiert und in einfache Skizzen umgewandelt, wie diese Paraphrase über Bergmans “Schweigen”. Zudem eine wunderbare Parabel der damaligen Situation.

Čaroděj OZ (Zauberer von OZ) – Precedens: Was bleibt zu tun?
1986, Super-8, 8 min, Farbe
Der Film fängt den Konflikt zwischen der inneren Welt eines Mannes und der öffentlich das Militärische zelebrierenden Gesellschaft ein. Der Film besteht aus authentischen Aufnahmen von Militärparaden und Eiden in den 1980er Jahren. Diese beiden Themen werden als wörtliche Allegorien ausgedrückt, in denen zum Beispiel ein Rollstuhl mit einem Panzer verglichen wird oder Figuren von Engeln mit Raketensprengköpfen verbunden werden, die Metallstrukturen von Klettergerüsten symbolisieren sowohl Spiel als auch Gefängnis.

Čaroděj OZ – Z jedné strany na druhou (Von einer Seite zur anderen):
Sieh des Todes Blasses Bild

1985, Super-8, 6.5 min, Farbe
Máchas Gedicht „Sieh des Todes Blasses Bild“ begleitet von Musik der Band Z jedné strany na druchou, komponiert unter anderem von den ehemaligen Mitgliedern von Plastic People of the Universe: Ladislav Leština, Jan Brabec, Andrea Landovská und Vít Brukner. Seine groteske Stilisierung mit schwarzen Regenmänteln und melancholischem Regen evoziert eine romantische Vision des Mythos von Prometheus. Besetzung: Ladislav Leština, Jan Brabec, Vít Brukner, Andrea Landovská; Musik: Z Jedné strany na druchou (Lied: Sieh des Todes Blasses Bild nach einem Gedicht von K. H. Mácha).

Pablo De Sax – Für die Ewigkeit
1986, Super-8, 12 min, Farbe
Dystopie und das Ende der Zivilisation sind häufige Themen der Underground-Filme. Der Film „For All of Eternity“ ist direkt von Reggio's Koyaanisqatsi inspiriert und transformiert das Format der Symphonie der Stadt in die apokalyptischen Industriegebiete rund um Prag. Der Name des Films ist der zweite Teil der symptomatischen 1980er Jahre Propaganda-Parole "Mit der Sowjetunion für alle Ewigkeit" (in der DDR eher: „Mit der Sowjetunion für immer vereint“, Anm. F.E.).
Pablo

Pablo De Sax – Plastic People: Teenage Girls
1985, Super-8, 8 min, s/w
Das Musikvideo von Plastic People aus der zweiten Generation des Undergrounds. Inspiriert von den Originaltexten verändert es den Song in satirische Sketche.

Pigi – Dolce far niente
1983, Super-8, 1.5 min, s/w, soundtrack, VHS screener
Eine improvisierte Filmstudie über die Faulheit.

Pigi – Viva l’anarchy
1983, Super-8, 5 min 16 sec, s/w, soundtrack
Der Film über einen Ausflug in die Hauptstadt ist in seinem Genre grotesk und stellt einen typischen Protagonisten des Underground-Films dar - ein Individuum, das sich außerhalb der Gesellschaft bewegt. Er nutzt auch eine häufige Strategie des Undergrounds, das Filmen von Aktionen in authentischer sozialer Situation.

Pigi – A Bathroom Mystery
1985, Super-8, 5 min, s/w
Eine improvisierte Tanzetüde, in der eine hemmungslose Badezimmerkreatur die regelmäßige Körperpflege ad absurdum führt. Der Film wurde an einem regnerischen Nachmittag in einem Badezimmer in einem Wohnblock in der Prager Neubausiedlung Petřiny gedreht.

Ivan Tatíček – Metrofilm
1984, Super-8, 8.5 min, b/w, VHS screener
Das filmische Werk von Ivan Tatíček aus den 80er Jahren war eng mit der Band Schodiště verbunden, deren Musik auch den Metrofilm bestimmt. Der Film fängt die melancholische Stimmung der Mitte der 1980er ein, die Elemente des späten Kommunismus mit den Effekten von Post-Punk und New Wave verbindet.

 


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Filmstill

Jan Ságl: Music F Club.

Filmstill

Pan Karra: Schweigen, 1981.

Filmstill

Čaroděj OZ: Precedens: Was bleibt zu tun?.

Filmstill

Čaroděj OZ: Sieh des Todes Blasses Bild.

Filmstill

Pablo de Sax: Für die Ewigkeit.

Filmstill

Pablo de Sax:Teenage Girls.

Filmstill

Pigi: Dolce far niente.

Filmstill

Pigi: Viva l’anarchy.

Filmstill

Pigi: A Bathroom Mystery.

Filmstill

Ivan Tatíček: Metrofilm.